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augsburger gesellschaft für neue musik

Augsburger Allgemeine Zeitung, 29. März 2023

Eine lange Nacht für neue Klänge

Neue Musik im Textil- und Industriemuseum – tim Bayern

Neue Musik? Für manche Ohren klingt schon dieser Begriff nach akustischem Kabelsalat, nach elektronischer Verwirrung und Tönen, die sich beißen und kratzen. Aber nur keine Angst vor neuen Klängen – findet Iris Lichtinger. Mit der Blockflöte spielt die Augsburgerin virtuose Konzerte aus dem Barock, aber eben auch Gegenwärtiges, Neues, frisch Komponiertes. Lichtinger kennt also die Tücken der Zeit: „Neue Musik ist ein Stoff für Superhirne. In den Werken steckt oft höhere Mathematik, da müssen Musiker harte Nüsse knacken.“ Und genau in diesem Abenteuer liegt für sie der Reiz – nicht nur in ihrer Rolle als Musikerin: „Als Zuhörer hat man in der Neuen Musik diese besondere Chance, als Allererster ein neues Werk zu erleben.“ Anno Bach und Vivaldi habe sich die Musik noch in strengen Bahnen abgespielt, in Notenschrift und nach Regelwerk. Aber in der Neuen Musik? „Da gibt es keine Grenzen.“

 

Wie viel Freiheit in dieser Musik pocht, das will Lichtinger am heutigen Donnerstag mit ihrem Verein „Jetzt:Musik – Augsburger Gesellschaft für Neue Musik“ beweisen. Eine Menge an neuem musikalischem Stoff will der Verein zum Klingen bringen, in einer „Langen Nacht der Jetzt:Musik“- im Textil- und Industriemuseum, kurz TIM.

 

„Wir arbeiten an diesem Konzept schon seit gut einem Jahr“, erzählt Lichtinger. „Bei diesem Format wollen wir Gastkünstlern Raum bieten, aber eben auch Musikern der Neuen Musik aus Augsburg.“ Und gleich zu Beginn gehört die Bühne dem Nachwuchs. Das Motto lautet: „Jung & Frei“.

 

Dass Neue Musik als Fall für Spezialisten gilt, das zeigt ein Blick auf die Ergebnislisten von „Jugend musiziert“. Zum 60. Mal fand der Talent-Wettbewerb in diesem Jahr statt – doch nur ein kleiner, feiner Kreis von Solisten und Gruppen hat es in der Sparte „Neue Musik“ bis zum bayerischen Landeswettbewerb in Passau geschafft. Sechs Beiträge an der Zahl. Darunter aber: ein Quintett mit Musikern aus München und Augsburg, die der Komponist Johannes Schachtner fördert. Diese Gruppe wird nun auch die Lange Nacht im TIM eröffnen. Klassische Instrumente treffen sich hier in einer gar nicht so klassischen Besetzung: Eine Mezzosopranistin wird begleitet von Klarinette, Gitarre, Cello und Geige. Und so völlig „unplugged“ und verkabelt bleibt der Auftakt nicht: Der Quintett-Cellist Lysander Francescatti aus Augsburg war auch als Solist bei Jugend musiziert erfolgreich – er verstärkt sein Cello für ein Solo mit Elektronik.

 

Je später der Abend, desto bunter das Klangbild: Das Ensemble Mosaik reist für diesen Abend aus Berlin an. Diese internationale Gruppe von Klangkünstlern verspricht Werke von Komponisten aus den verschiedensten Winkeln der Welt, von Indonesien bis Neuseeland. Das schwingt schon im Titel mit: „Echoes of cultural localizations“ – das Ensemble will dem Echo nachspüren, das die Musikwelten dieser Erde erzeugen. Dieses Bild aus Tönen soll eine große Videoprojektion ummalen, unter einem „hohen technischen Aufwand“, erklärt Lichtinger. Zehn Stunden werde es wohl dauern, bis im TIM alles korrekt verkabelt ist, für das Mosaik aus Ton und Bild in vier Kapiteln. Ein Klangregisseur schiebt die Regler live am Mischpult. Dirigent Chatschatur Kanajan leitet das Ensemble, mit Flöte, Saxofon, Klavier und mehr.

 

Und dann soll die Musik fließen: Im Projekt „Fluss“ wollen Künstler aus Augsburg einen „60-minütigen Klangstrom aus Improvisationen und Kompositionen“ erzeugen. Mit dabei: Barbara Mayer, Pianistin, Komponistin, Augsburger Kunstförderpreisträgerin. Sie reiht sich ein neben Joseph Warner am Kontrabass und dem Pianisten Wolfram Oettl, der sich an den Tasten zwischen allen Epochen bewegt. Komponist Stefan Schulzki mischt ebenfalls mit, bekannt für poppige Akzente, und auch das Percussion-Ensemble Schlag3.

 

„Relax & Dance“: Zum Finale darf dann auch getanzt werden, die DJane Frau Tacheles legt auf. „Für uns ist das Projekt ein großes Fest“, sagt Lichtinger. Bleibt nur die Frage: Wohin fließt denn der Fluss, in der Neuen Musik? Gibt es Trends? Entwicklungen? „Jeder Komponist hat eine eigene Schreibweise“, sagt sie. „Und je länger man sich als Hörer der Neuen Musik hingibt, desto weicher wird man für diese Klänge, desto mehr öffnet man sich.“

 

Augsburger Allgemeine Zeitung, 19. Dezember 2022

Im Grenzbereich von Klängen und Geräuschen

Neue Musik im H2 – Zentrum für Gegenwartskunst

Von Stephanie Knauer

 

Die sieben Wochentage, die sieben Tugenden, die sieben Brücken, die sieben Zwerge – und aktuell das siebente Wandelkonzert der Augsburger Gesellschaft für Neue Musik im H2: Viel Zahlenmystik spielte mit am Samstagabend beim Konzert „Die 7IEBEN“ im Zentrum für Gegenwartskunst im Glaspalast zum Motto „Transforming … Pulsing … Swaying“. Trotz der halligen Akustik wirkten das Klangkunstevent und die Location mit ihrer gegenwärtigen Ausstellung, „Metamorphosen“ von Herlinde Koelbl hervorragend zusammen. „Sollbruchstellen für Verwandlung“ zeige laut Koelbl die Schau malerischer Fotografie von Flora, gesamtkunstwerkliche Sollbruchstellen von Klang, Performance, Genres, beweglichem und bewegtem Bild zeigten die Kompositionen mit ihrer Transformation von Klängen, der Zweieinigkeit von Ton und Geräusch, der Interaktion mit dem elektronischen Apparat und den interaktiven Visualisierungen.

Wie ein Forscher im Klanglabor hantierte Christian Z. Müller in „Megamorphosen“ an seinem bunt blinkenden Modular-Synthesizer mit angeschlossener Kurztastatur, in Echtzeit gefilmt und auf Leinwand projiziert von Arnold Leo Schenk, produzierte er damit Comic-ähnliche Klänge, graues Rauschen, pulsierenden Beat.

John Cages „Seven“ für sieben Spieler von 1988 produzierte mit konventionellen Instrumenten industrielle Geräusche, eine Klangfabrik mit tropfenden Hähnen, Beckenrauschen, Klavierakkordeinwürfen.

Instrument-fremde Klänge produzierte vor allem Kontrabassist Joseph Warner, der dem Bass in seinen beiden Beiträgen mit Toni Bihlers „Interactive Visuals“ unglaubliche, ungeahnte, mehrstimmige, intensive, fast körperlich kratzende Klangseiten entlockte.

Ursprünglich für eine mittelalterliche Kirche komponiert war der mehrteilige „L’Incanto della Luna“ für Cello (Graham Waterhouse) und Bass- und Tenorblockflöte (Iris Lichtinger): an das Mittelalter anklingend, meditativ, ausdrucksvoll von zwei unabhängig wirkenden Solisten bestritten, die dennoch in Beziehung traten. Umrahmt wurde das Werk von John Cages „Branches“, einer Performance zum Klangpotential von Laub und getrockneten Kakteen.

Hintersinnig endete „Flowting“ mit dem Duo Simultan, das eigentlich ein Triolog war mit Milena Langer (Klarinette), Eric Zwang Eriksson (Schlagzeug und Percussion) und nur bedingt steuerbarer Effektmaschine, die künstlerische verblüffende, faszinierende Loops zu den unplugged Melodien und Klängen beisteuerte und zuletzt, ähnlich wie in Haydns Abschiedssinfonie, allein weiterspielte.

Begonnen hatte der Abend mit einer Sieben, mit der Uraufführung von Wolfgang Lackerschmids „Seven Bridges“ für neun Instrumente und instrumentaler Vocalise (Stefanie Schlesinger), mit sphärischem Intro, Tutti-Bridges und solierenden, improvisierten Parts. Wolfram Oettl steuerte gekonnt klassische Akzente bei, Christian Z. Müller an seinem Tubax, einem Kontrabasssaxofon unterirdische Tiefe. Ein begeisterndes Panoptikum der Gegenwartskunst.

Feuilleton 18. März 2019 – Augsburger Allgemeine

Jubiläum mit radikalen Klängen
Konzert zu fünf Jahre „jetzt:musik!“ im H2
Von Manfred Engelhardt

Atmosphärisch stimmig angesiedelt war das Konzert zum fünfjährigen Bestehen des Projektes „jetzt:musik!“, das die Augsburger Gesellschaft für Neue Musik im H2-Zentrum veranstaltete. Wie eine Kunstinstallation mutete die Anordnung von blinkenden Elektronik-Geräten, Vibrafon-Ansammlungen und exotischen Metallschlagwerken an. Das in den Glaspalast hereingeströmte Publikum, in der Mitte auf beweglichen Stuhlreihen platziert, konnte sich in alle vier Himmelsrichtungen mitdrehend auf ein erlebnisreiches Klangabenteuer einstellen.
Von zehn Stücken, ausgeführt von 20 Musikern, sollte sich das Publikum herausfordern, auch provozieren, vorurteilsfrei mitnehmen lassen. Diese Musik und ihre Künstler haben die Rolle, Gefühle und Phänomene der modernen Welt zum Ausdruck zu bringen – wie es Iris Lichtinger, Vorsitzende der Gesellschaft, zur Erläuterung eingangs beschrieb.

Die moderne Welt: „Echoes of Industry“ von den Elektronik-Spezialisten Gerald Fiebig und Christian Z. Müller brachial in den Raum geschleudert, lässt eine Arbeiterstimme aus der ehemaligen Augsburger Textilfabrik darin symbolisch ertrinken. Auch Ben Wahlunds Stück über den „Abgebrühten Kapitalismus“ befasst sich, laut Programm, mit den Veränderungen in der Welt. Das von Fabian Strauß virtuos gespielte Vibrafon spricht da eine für sich stehende musikalische Sprache. In weit zurückliegende Bereiche begibt sich Yannis Kyriakides’ „Affectio“ nach „Ethica“ des jüdischen Philosophen Spinoza. Mit Iris Lichtingers Stimme, dem lapidar eingesetzten Cembalo (Ella Sevskaya) und elektronischer Zuspielung werden in bizarren Farbmischungen 24 Emotionszustände von Liebe, Spott, Mitleid, Zwist, bis Verzweiflung und Freude zum Ausdruck gebracht.

Es gab auch „analoge“ Kammermusik zu hören. Enjott Schneiders feines Traumstück für Blockflöte beschwor Iris Lichtinger mit edlem Ton und virtuos zirpenden Gesten. Volker Nickels „Cassation“ für Klarinette (Lisa Riepl) und Cello (Dylan Lee) spielt mit extrem zugespitzten barocken Gesten-Fetzen. Klangsatt ist Richard Hellers „Actus“ für Konverter-Akkordeon. Michael Rettig reizt diese Szenen durch das besonders bassverstärkte Instrument wunderbar aus. Wolfgang Lackerschmid brachte mit den Vibrafonisten Fabian Strauß und Sebastian Hausl sein „Compadre Peri“ jazzig zum Swingen. Das Duo Beatrice Ottmann (Mezzo, Stimme) und Elektroniker Stefan Schulzki beschworen in ihrer tollen Improvisation ein Farbgewitter verfremdeter Musical-Déjà-vus, freiem Gefühlsausdruck und ekstatischen Verzückungs-Blitzen. Ein subtiles Geflecht von eher stillen Impulsen und kippenden Veränderungen war zum Schluss John Cages fünfstimmiges Stück für Vocals (Lichtinger, Ottmann), Vibrafon (Hausl) sowie Klarinette/Cello.

Gelungene dramaturgische Akzente setzten die immer wieder eingeschobenen fünf elektronischen „Nachtstück“-Miniaturen vom Augsburger Kunstförderpreisträger Patrik T. Schäfer: Teils latent bedrohliche, teils still brütende Flüsternischen nach Motiven zu Pier Pasolinis Film „Teorema“.
Das Publikum ließ sich von diesen radikalen Klängen drei Stunden lang begeistert mitnehmen.

Konzert 04.04.2017

Es kam zur Eskalation
Musik-Avantgarde im Glaspalast
Von Manfred Engelhardt

„jetzt: Musik!“ ist Eigenname und Leitmotto der vor vier Jahren gegründeten Augsburger Gesellschaft für Neue Musik (AGNM). Mit ihren Klängen umkreiste die engagierte Institution die derzeitige Fotoausstellung „Not Here Yet“ im H2 des Glaspalastes und präsentierte einen kontrastreichen Überblick über Aspekte der Augsburger Avantgarde-Szene, mit Gästen aus München und Basel. Die Bandbreite der Experimente reichte von der Elektronik bis zur scheinbar(!) harmlosen Blockflöte.

Um bei der Starkstromtechnik im doppelten Sinn zu beginnen: Der Augsburger Stefan Schulzki (*1970), mittlerweile weit angesehener Zauberer mit seinen Modularsystemen und Live-Elektronik, der das Konzert eröffnete, versteht es, neben martialischen Klanggewittern auch skurrile Momente in seiner dreiteiligen Schöpfung „Not Finished Yet“ zu realisieren. Seine Sopranpartnerin Beatrice Ottmann half, in den verzerrten Gesangsposen Ironie funkeln zu lassen. Mit den „Seven last words of Hasan“ von Bernhard Lang (*1957) war es weniger ironisch bestellt. Auf normalem Flügel wickelte Wolfram Oettl unbeirrt den Repetitionscharakter dieser Komposition ab, deren aggressive Grundgeste dem Anführer der mittelalterlichen islamischen Assassinen-Sekte gewidmet ist.
Was aber die Augsburger Percussionisten Sebastian Hausl, Fabian Strauß und Florian Reß in den „WAVE Impressions – Schlag3“ (2008) der 80-jährigen Japanerin Keiko Abe an Farbe und Wucht, silbrig wisperndem Taumel und rasend ineinandergreifender Präzisionsmotorik inszenierten, riss die Besucher hin – ein Klangkatarakt mit Marimba in der Mitte, umzingelt von Trommeln und Geräuschzauberwerk aller Art.

Erstaunliches hat die Blockflöte in all ihren Varianten an Klangexotik zu bieten, vom spitzfeinen Sopranino, über sanft-kräftige Mittellagen bis runter zum bizarren Paetzold-Bass. Mit Flöten-Magierin Iris Lichtinger voran, bündelten Maria Wegner, Stefanie Pritzlaff und Sophia Rieth die „Organi“ des Münchners Johannes X. Schachtner (*1985) zum mal meditierenden, mal virtuos und kurios blitzenden Kreis. Chris Sigdell, Christian Z. Müller und Sascha Stadlmeier improvisierten in der Box mit Electronics vor einem Video.

Den tollen Schlusspunkt setzte das 30-köpfige Internationale Music Ensemble Augsburg des Leopold-Mozart-Zentrums mit den „Trios“ für Orchester von Franz Jochen Herfert (*1955). Im vom Komponisten geleiteten Orchester mit klassischen philharmonischen Instrumenten lieferten sich, erinnernd an Ravels „Boléro“, zumeist jeweils drei Instrumentalpartner herrliche Behauptungskämpfe wie auch wahre Liebesscharmützel – bis zur gemeinsam-orchestralen Schluss-Eskalation.

 

Mehr und jetzt: Neue Musik in der Fuggerstadt
In Augsburg ist eine eigene Sektion der Gesellschaft für Neue Musik gegründet worden
Von Reinhard Palmer

Die bundesweite Initiative „Netzwerk Neue Musik“ ist zwar abgeschlossen, doch für Augsburg war die Teilnahme erst der Anstoß, ein neues Kapitel der Stadtkultur aufzuschlagen. Die Bewerbung um diese Förderung hatte damals die Intendantin am Augsburger Theater, Juliane Votteler, auf den Weg gebracht. Die Theaterregisseurin, Kulturmanagerin und Musikerin Ute Legner baute mit der dafür gebildeten Projektgruppe „Mehr Musik!“ die nötige Infrastruktur auf und setzte Veranstaltungen zur Heranführung von Kindern und Jugendlichen ans neue Hören um. Der Cellist Johannes Gutfleisch – Vorspieler der Augsburger Philharmoniker – rief indes die Konzertreihe „Zukunft(s)musik“ sowie ein Ensemble für Neue Musik ins Leben. Beachtliche Potenziale offenbarten sich. Nun ist die Augsburger Gesellschaft für Neue Musik „Jetzt:Musik!“ (AGNM) gegründet, um die mobilisierten Kräfte nach Ablauf des Netzwerk-Projekts zu bündeln und der Neuen Musik eine dauerhafte Heimat zu sichern.
Ein Artikel von Reinhard Palmer

Augsburg ist eben nicht nur Fugger- und Brecht-Stadt. Sie ist auch Leopold-Mozart-Stadt und eine musikalische Hochschulstadt, wenn auch heute nur noch mit einer Fakultät der Universität am Leopold-Mozart-Zentrum begründet. Trotzdem hatte Neue Musik bisher keine feste Adresse. Lediglich elektronische, digitale Musik konnte sich mit dem Festival lab30 im fast neunjährigen Bestehen in Augsburg etablieren. Das Stadttheater mit seinem philharmonischen Orchester führt bisweilen Werke des 20. Jahrhunderts auf. Der freien Musikszene und zeitgenössischen Komponisten fehlen indes Wirkungsstätten. Das soll sich nun ändern.

Es mag zunächst überraschen, dass ausgerechnet der einzige Nichtmusiker unter den Gründungsmitgliedern zum 1. Vorsitzenden (2. Vorsitzende ist Iris Lichtinger) gewählt wurde. Aber als Architekt verkörpert Christian Z. Müller sogleich den interdisziplinären Anspruch der Neuen Musik, zumal in Hinblick auf eine ausgesprochen enge Verwandtschaft. Weniger die traditionelle Verbindung etwa in Rhythmik, Proportionen oder Farbklängen, die bereits seit der Antike praktiziert wird, als vielmehr das Denkkonzept sieht Müller heute als Gemeinsamkeit zwischen Architektur und Musik. Architektur sei gebaute Musik – „das Bewegte festgehalten“ –, sagt er. Das war denn auch der Ansatz, mit dem Müller Schülerprojekte im Rahmen von „Mehr Musik!“ durchgeführt hatte. Räume für Klänge, klingende Räume und Klangerzeuger seien dabei entstanden. Und diese Zusammenarbeit mit Augsburger Schulen soll fortgesetzt werden. Müller selbst ist schließlich auch von Lehrern am Gymnasium erstmals mit zeitgenössischer Musik konfrontiert worden. Acht Jahre hatte er Klarinette gelernt, dann ist er als Jazzer auf das Saxophon umgestiegen. Die Schallplatten des Musiklehrers eröffneten ihm indes mit Werken etwa von Lachenmann erstmals die spannende Klangwelt des 20. Jahrhunderts, die ihn nicht mehr loslassen sollte.

Grundsätzlich gehe es bei der Arbeit der AGNM um Kooperationen, kann sie doch finanziell momentan zumindest lediglich auf Mitgliedsbeiträge zurückgreifen. Unterstützen, anstoßen sowie weiträumig und interdisziplinär vernetzen, sei zunächst die Aufgabe. Über die Verbindung zu Schulen und kulturellen Bildungseinrichtungen, zu Kirchenmusikern und zum Stadttheater mit seinem Orchester besteht über die beiden Mitvorstände und Komponisten Markus Schmitt und Volker Nickel ein Direktkontakt zur Universität. Doch eine Akquise-Gruppe ist bereits gebildet, um Gespräche mit örtlichen Sponsoren zu führen, die auch ein direktes Handeln ermöglichen sollen. Geübt im Präsentieren und Bewerben von Architekturprojekten, bringt Müller dahingehend ein wertvolles Potenzial in den Vorstand. Für eine wirkungsvolle Selbstdarstellung sei an der Fachhochschule im Fach Kommunikationsdesign an der Corporate Identity gearbeitet worden, weist der 1. Vorsitzende hin. Das künftige Gesicht der AGNM soll aus den Studentenarbeiten ausgewählt werden.

Inhaltlich herrsche weitgehend Einigkeit, sagt Christian Z. Müller: „Weit über den Tellerrand gucken“, womit laut Vereinssatzung auch freie Improvisation, Elektronik und musikalische Grenzbereiche zu anderen Genres gemeint sind. Die Verbindung zwischen Musik und Industrie, wie sie etwa von Glenn Branca vertreten wird, soll eine wichtige Rolle spielen, um die Einzigartigkeit Augsburgs nicht nur als historische Stätte, sondern auch als Industriezentrum in die Konzeption aufzunehmen. Nicht zuletzt, da große Aufführungsräume in der Stadt fehlen beziehungsweise, wie im Fall der brechtbühne oder des Sensemble Theaters, anderweitig ausgelastet sind, während Industrieräume (viele historische) in großer Zahl vorhanden sind.
Diskutiert werde noch über die zeitliche Fokussierung. Chris­tian Z. Müller plädiert für einen weiten Ansatz, der nicht nur die neuesten Produktionen berücksichtigt, sondern auch die Vielzahl der Strömungen im 20. Jahrhundert bis hin zum Pop. Die Entscheidung steht noch aus. Ebenso die beantragte Eintragung ins Vereinsregister.

nmz / artikel / mehr und jetzt – neue musik in der fuggerstadt

Alles neu!
Von Renate Baumiller-Guggenberger

Als neue Vorsitzende des Vereins »jetztmusik – Die Augsburger Gesellschaft für Neue Musik« (kurz: AGNM) hat Iris Lichtinger (Foto) bewusst auch das Erscheinungsbild grafisch neu gestalten lassen. Das farbenfrohe Logo spiegelt den ästhetischen Facettenreichtum und die zukunftsweisenden Klänge der Neuen Musik. Die aktiven Mitglieder verstehen sich als engagierte und leidenschaftliche Ansprechpartner*innen, die ihre musikalische Expertise den variantenreichen Spielarten der hierzulande teils mit Vorbehalt beäugten (Kunst-)Musik widmen. Mit ihrem Angebot wollen sie auch zukünftig dafür Sorge tragen, dass dem breit gefächerten Spektrum insbesondere im Kulturraum Augsburg eine gebührende Plattform gegeben wird.

Neue Musik tritt sowohl akustisch als auch elektronisch, sowohl komponiert als auch improvisiert in Erscheinung und garantiert jedem interessierten Hörer exklusive und innovative Konzerterlebnisse. »Es ist doch die Neue Musik, die Stellung bezieht zu unserer Realität, die sich mit den Themenfeldern der Gegenwart auseinandersetzt und dadurch relevant ist«, so Iris Lichtinger, deren Karriere als professionelle Flötistin, Sängerin, Vokalistin und Pianistin »tonale und atonale Klimazonen und deren Kompositionslandschaften«, Alte und Neue, E- und U-Musik integriert. Seit über zehn Jahren ist sie zudem als künstlerische Leiterin des MEHR MUSIK! Ensembles, dem Partnerprojekt von MEHR MUSIK! und dem Leopold-Mozart-Zentrum der Universität Augsburg, tätig, in dem sie junge Musiker*innen und Profis aus der Neue-Musik-, Jazz- und Klassikszene zusammenführt. Lichtinger ist bestens regional und international vernetzt und freut sich darauf, ihre wertvollen Kontakte auch zukünftig gewinnbringend zu nutzen, auch um die Präsenz und Bedeutung der AGNM über die Stadtgrenzen hinaus zu erweitern.

Da scheint das fünfjährige Jubiläum gerade recht zu kommen: Das entsprechende Konzert »Die 5ünf« am 16. März um 19 Uhr wurde mit großem Aufwand mit Festivalcharakter konzipiert. Im H2 – Zentrum für Gegenwartskunst im Glaspalast, das von Anfang an ein verlässlicher Wegbegleiter war, werden gleich vier Spielorte installiert, zwischen denen sich das Publikum bewegt. In den drei Programmpausen soll ganz explizit ausreichend Raum für Gespräche und Drinks sein, um die musikalischen Performances und die immerhin drei Uraufführungen zu goutieren und zu diskutieren. »Five« ist auch der Titel eines Werks von John Cage (1912–1992), einem der Urväter der Neuen Musik. Das passt ebenso ins »Bild der Moderne« wie die uraufgeführten Werke von Enjott Schneider (persönlich anwesend), von Richard Heller oder Gerald Fiebig & Christian Z. Müller, die gemeinsam mit Interpret*innen wie Beatrice Ottmann und Stefan Schulzki, Wolfgang Lackerschmid, Volker Nickel, Ella Sevskaya und natürlich Iris Lichtinger zur konstant wachsenden Akzeptanz Neuer Musik beitragen dürften.

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